2024-10-14 21:17:00
Beim Tennisclub Niedernhausen scheint das Spiel gut zu laufen. Seit der Pandemie ist die Zahl der Mitglieder um etwa 100 auf knapp 400 gestiegen, davon sind mehr als ein Drittel Kinder und Jugendliche. Im Vorstand gibt es für diese einen engagierten Vertreter, dazu einen Sportverantwortlichen, eine Kassenwartin, zwei Vorsitzende und mehrere Beisitzer. Die Trainer sind in einer Akademie ausgegliedert. Der Verein verfügt über eine Anlage mit neun Sandplätzen. Fürs Wintertraining steht eine Halle zur Verfügung, für die zwar bald ein Ersatz gesucht werden muss, doch noch hat das zwei oder drei Jahre Zeit.
Trotz dieser offenbar positiven Lage droht ein „Horrorszenario“: Bei einer außerordentlichen Versammlung im nächsten Monat könnten die Mitglieder darüber informiert werden, dass man vor einer Auflösung des Vereins steht. Die beiden Vorsitzenden wollen schon länger ihre Ämter niederlegen. Seit zwei Jahren sei das im Gespräch, sagt Jugendwart Volker Stelzer. Bislang habe sich kein Ersatz gefunden.
„1000 Gründe, sich gegen so ein Amt zu entscheiden“
Sollte es dabei bleiben, niemand die offizielle Verantwortung übernehmen, „den Kopf hinhalten wollen“, sehen die Verbleibenden keine andere Chance, als die erfolgreiche Historie des TCN im März zu beenden. Manches wurde schon versucht, um das zu verhindern, auch ein Vorstandspraktikum, bei dem Interessenten ein paar Wochen in die Arbeit der Vereinsführung hineinschnuppern können. „Aber es gibt 1000 Gründe, sich gegen so ein Amt zu entscheiden“, sagt Stelzer. Der Lehrer selbst sieht sich in seinem Bereich an der richtigen Stelle, geht in der Arbeit mit dem Nachwuchs auf. Aber: „Vorne zu stehen ist nicht das, was ich machen will“, sagt er.
Nicht erst die Corona-Krise hat die Bereitschaft, sich ehrenamtlich zu engagieren, sinken lassen. Betroffen ist davon in besonderem Maße hierzulande auch der Sport. Ohne Freiwillige funktioniert das deutsche Vereinssystem nicht. Der Landessportbund Hessen (LSBH) bietet vielfältige Hilfe an, darunter eine Vereinsberatung, bei der die jeweilige Situation vor Ort genau analysiert wird und man gemeinsam versucht, Chancen und Lösungen zu finden. „Eine Checkliste“, ein für alle taugliches Rezept, „gibt es nicht“, sagt Dani Herrlich, die zuständige Referentin bei der Dachorganisation des hessischen Sports.
Das „Forum Ehrenamt“ am Wochenende in Frankfurt sollte die bereits Engagierten auf Ideen bringen und Denkanstöße liefern. 80 Teilnehmende meldeten sich dafür, Kommunikationsspezialist Stefan Groß animierte sie in einem Impulsvortrag zu Beginn, „out of the box“ und auch über Verrücktes, scheinbar Unmögliches nachzudenken.
Swipen und Matchen
Dennoch trat überwiegend Gängiges zutage: Aufgaben im Führungsgremium definieren und sie auf mehreren Schultern, einem Vorstandsteam, verteilen; die Arbeit ein Stück weit einer hauptamtlichen Kraft übergeben; den Kontakt zu rüstigen Senioren suchen, die ihre Expertise einbringen und sich selbst auch ohne bezahlten Job wieder wertgeschätzt fühlen.
Der Gedanke an eine Aufgabenrotation im Vorstand schreckte dagegen eher ab. Groß wiederum gefiel die Möglichkeit, Eltern während der Übungszeiten ihrer Kinder einzubinden, nach dem Motto: Produktiv sein statt nur Kaffee trinken. Herrlich fand eine Vorstellung besonders spannend: eine Tinder-App für Ehrenamtliche. Ob vereinsintern oder darüber hinaus: Vereine und Menschen, die freie Zeit übrig haben, könnten so über Swipen und Matchen schneller zueinanderfinden als über bereits vorhandene Internetbörsen. Gerade junge Leute ließen sich so vielleicht leichter begeistern.
Beim TC Niedernhausen, das wurde deutlich, sehen sie in den Überlegungen mögliche Ansätze. Der Verein soll zu einer Einheit werden, in der der Teamgedanke im Vordergrund steht. Ob Feste oder Führungsarbeit, „wir wollen alle mitnehmen“, sagt Stelzer, und so auch den Vorstand entlasten, während aus dem Plenum zudem der Hinweis kam: „Die Idee des Vereins ist es, solidarisch zu sein.“ Das, darin waren sich alle einig, werde heutzutage oft vergessen.
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